Bewertung von Stillgewässern anhand adephager Wasserkäfer
Naturnahe stehende Gewässer, wie beispielsweise extensiv bewirtschaftete Weiher und Teiche, Flussaltwässer, als auch Niedermoore oder Kiesgrubentümpel, sind aus Sicht des Natur- und Artenschutzes von großer Bedeutung für den Erhalt einer intakten, Standort typischen Flora und Fauna. Um jedoch deren Zustand und Entwicklungspotential einschätzen zu können, ist es in stehenden Gewässer – im Gegensatz zu Fließgewässern – meist üblich nach trophischen oder strukturellen Parametern zu bewerten. Diese schwanken jedoch meist im jahreszeitlichen, häufig sogar im tageszeitlichen Verlauf, und stellen somit meist nur eine Momentaufnahme dar, was ihre Eignung zur Bewertung von Stillgewässern einschränkt.
Ein von Schmidl (1992, 2003) entwickeltes, faunistisch-ökologisches Indikationssystem (Bioindikatoren) für Stillgewässer greift hier an und löst dieses Problem. Nach Schmidl eigenen sich adephage Wasserkäfer zur Bewertung stehender Gewässer hervorragend. Sein System bietet folgende Vorteile.
Adephage Wasserkäfer:
- erfüllen viele der Kriterien für Indikatororganismen nach Buck et al. (1985).
- integrieren die auf sie einwirkenden (häufig nicht konstanten) Umweltparameter über einen längeren Zeitraum.
- ermöglichen durch eine Vielzahl unterschiedlich angepasster und an ihren Lebensraum gebundener Arten eine feinskalierte Bewertung.
- sind relativ gut bestimmbar.
- sind von Frühjahr bis Herbst in den Gewässern anzutreffen.
Die Bewertung stehender Gewässer anhand dieses Systems ist darüber hinaus mit einem relativ geringen Zeitaufwand verbunden. Es kann beispielsweise als projektbegleitendes Monitoring (Basis- oder Erfolgskontrolle für Renaturierung, Pflegemaßnahmen und Neuanlagen) in stehenden Gewässern durchgeführt werden. Die Ergebnisse können mit geringem Mehraufwand durch Erfassung weiterer Artengruppen (Libellen, Eintagsfliegen, Mollusken, Amphibien) sowie chemischer, trophischer und struktureller Parameter ergänzt werden.
Haben Sie Fragen rund um die Bewertung stehender Gewässer? Ich stehe Ihnen gerne zur Verfügung!
Literatur
Buck, H., Bürkle, F., Ganzhorn, C., Hutter, C. P., Knittel, R. G., Kobler, W., Konzelmann, E., Kullack, E., Linder, W., Müller, T., Rath, P. & Schade, G. (1985): Ökologische Untersuchungen an der ausgebauten unteren Murr – Band 1: 1977-1982. Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg/ Institut für Ökologie und Naturschutz, Karlsruhe.
Schmidl, J. (1992): Vergesellschaftung und Habitatwahl adephager Wasserkäfer (Coleoptera: Haliplidae, Noteridae, Dytiscidae) in Abhängigkeit von physikalischen und chemischen Wasserparametern. Eine Kanonische Korrespondenzanalyse. Unveröff. Diplomarbeit. Universität Erlangen-Nürnberg.
Schmidl, J. (2003): Bioindikation stehender Gewässer anhand adephager Wasserkäfer (Coleoptera: Haliplidae, Noteridae, Dytiscidae). Grundlagen, Synökologie und Bewertungskriterien für die landschaftsökologische Anwendung. Dissertation. Universität Erlangen-Nürnberg.
Wasserkäfer & Klimawandel
Zusammenfassung eines Vortrags gehalten auf dem Westdeutschen Entomologentag 2012
Jürgen Schmidl, Sebastian Zoder, Johanna Ganz
Großschwimmkäfer (Dytiscinae) in Zeiten des Klimawandels – Erkenntnisse eines 20-Jahres-Vergleichs in Franken
In einer Studie über die Fauna, Vergesellschaftung und Habitatbindung adephager Wasserkäfer stehender Gewässer in Bayern erfasste Schmidl seit 1991 auch die Fauna in den Teichen des Höchstädter Weihergebietes westlich von Erlangen (Schmidl 2003). Zoder (2009) untersuchte im Rahmen seiner darauf aufbauenden Diplomarbeit Sukzessionsaspekte in diesen Gewässern mittels Wiederbesammlung, Ganz (2011) wiederbeprobte als Bachelorarbeit eine Auswahl dieser Teiche mittels Reusenfallen auf die Großschwimmkäfer hin (Dytiscinae), darunter zahlreiche Naturschutzgebiete mit den naturschutzfachlich besten Teichen der Region.
Die Fauna der Großschwimmkäfer (Dytiscinae) zeigt im Untersuchungsgebiet zwei Trends: 1) 20 Jahre nach der Erstbeprobung konnten etliche typische „Teicharten“ unter den Dytiscinae nicht wieder festgestellt werden, sind offenbar verschwunden, die Fauna verarmt. 2) Cybister lateralimarginalis (aus dem tropisch-subtropisch verbreiteten Tribus Cybisterini) hat sich zur dominanten Art entwickelt, wogegen die meisten Dytiscus-Arten (aus dem vorwiegend nordisch-temperat verbreiteten Tribus Dytiscini) verschwunden sind (D. latissimus, D. circumcinctus) oder selten werden (sogar der früher häufige „Gemeine Gelbrand“ D. marginalis). Bemerkenswerterweise hat sich nun stattdessen der thermophile D. circumflexus in den Teichen etabliert. Die Großschwimmkäferfauna „shiftet“ zu hin zu den wärmeliebenden Arten. Intensive Teichbewirtschaftung und der Verlust der Ufer- und Wasservegetation sind im Allgemeinen die hauptsächlichen Gefährdungsursachen für die Schwimmkäferfauna. Aber auch in unbewirtschafteten alten „Naturschutzteichen“ fehlen inzwischen einige bisher abundante „nordische“ Arten (z.B. Dytiscus circumcinctus, Hydaticus transversalis, Graphoderus zonatus), die offensichtlich von thermophilen Arten verdrängt werden oder/und aus klimatischen Gründen auf dem Rückzug sind. Dies hat negative Konsequenzen für den Artenreichtum. Anders als bei anderen Artengruppen ist die an Gewässer gebundene Dytisciden-Fauna in den nordischen Breiten artenreicher als in den temperaten und subtropischen Bereichen (Larson 1985), so dass ein anhaltender Temperaturanstieg einen Artenwechsel und Artenverlust in der mitteleuropäischen Schwimmkäferfauna verursacht, der bereits jetzt nachweisbar ist. Offenbar ist ein langfristig angelegtes Monitoring von Schwimmkäfern ein sensibler Indikator sowohl für Klimawandel- als auch für Teichbewirtschaftungs-Effekte.